Blog: Russisches Heerlager vor Isikon

Blog: Russisches Heerlager vor Isikon

24.01.2024

Die Schweiz wird durch fremde Truppen besetzt

1798 eroberten die Franzosen das Gebiet der Alten Eidgenossenschaft. Obwohl der französische General Brune vorgesehen hatte, das zürcherische Gebiet zu verschonen, rückten am 25.April 1798 zirka 12'000 Franzosen in Zürich ein. In der Eidgenossenschaft musste man schmerzlich erfahren, was eine Besetzung bedeutet. Die Staatskassen wurden beschlagnahmt. Die Franzosen verlangten eine hohe Kriegssteuer, die grosse Kriegsbeute* wurde nicht einmal erwähnt.

(*Hätten zum Beispiel die Berner - gemäss NZZ - ihren Staatsschatz durch die Revolutionswirren hindurch retten können und ihn mit einer ähnlichen, eher konservativen Anlagestrategie wie während des 18. Jahrhunderts weiterhin auf dem Kapitalmarkt angelegt, würde er heute rund 623 Milliarden Franken betragen.)

Als dann österreichische und russische Heere von Osten her eindrangen und gegen die Franzosen anrückten, kam es zu den beiden Schlachten von Zürich. Die Bevölkerung litt unter den vielen Forderungen der Eroberer. In den entlegensten Orten des Oberlandes waren fremde Truppen einquartiert, um die Bevölkerung genau zu überwachen und um Widerstand oder feindliche Regungen zu unterdrücken. Zwangsrekrutierungen für die französische Armee, Einquartierungen, Zerstörung der Felder, Requisitionen etc. bedeutete viel Elend. So waren im Sommer 1799 in den Gemeinden des Oberlandes nacheinander französische, österreichische und russische Truppen einquartiert. Die fremde Kavallerie hat u.a. die Futtervorräte in den Ortschaften verzehrt.... Was von den französischen Soldaten gestohlen wurde, steht in keiner Statistik.

Jakob Stutz berichtet in seiner Biographie «Sieben mal sieben Jahre aus meinem Leben» von den Erzählungen in seiner Kindheit

... Vetter Jakob hub an: Er sei traurig, dass man in dieser Welt so gottlos geplagt sein müsse. Hätte man in der Revolution (1798,1803 Red.) den Schatz bekommen, der im Grossmünster sei vergraben gewesen, so hätten es alle Leute gut. Aber die Alten seien damals «Fürchtgreten» gewesen. Sein Ätti sei damals auch mit leeren Sack heimgekommen, während die Mutter auf das viele Geld hin, das der Ätti bringen werde, schon mehr als vier Pfund Anken verküchelt gehabt habe. Der Ätti habe mit verdriesslichem Gesicht den leeren Sack mit einem Fluch in den Winkel geworfen. Er habe über die verdammten «Züriherren» gelästert. Er wolle keine so verfluchte Revolution mehr, wo man immer meine man bekomme viel und dann am Ende viel geben müsse...

Am 27.5.1799 lagerte für 3 Tage ein österreichisches Heer in Isikon (vermutlich zwischen Isikon und Wallikon)

Gerade auf dieser Zelg, zeigte er, hatten die Kaiserlichen (Österreicher, Red.) ein Lager aufgeschlagen, man hat ihnen zu fressen und zu saufen bringen und ist einem kein Rappen, kein Pfennig dafür bezahlt worden. An all dem seien die Landvögte und die Herren der Stadt schuld gewesen, die man hätte aufhängen sollen.

Die Information der Bevölkerung geschah in anderen Formen und mit anderen Mitteln, als wir es im 21. Jahrhundert kennen. Normalerweise erfuhr die Landbevölkerung vom grossen Weltgeschehen, aber auch von den Ereignissen am Wohnort mit Verzögerung und nur mündlich überliefert. Dass bei diesen Informationswegen viel Phantasie, Weggelassenes und Zusätzliches die Wahrheit verdrehten, ist leicht vorstellbar.

Der Stutz schreibt in seiner Biographie von seinen Erinnerungen als Achtjähriger, wie ein Nachbar eine kriegerische Auseinandersetzung im Norden der Schweiz zwischen Franzosen und Kaiserlichen, als Augenzeuge erlebte.

Da trat noch spät ein Mann von Schönau herein (in die Stube der Familie Stutz) welcher noch Garn und Tuch brachte. Sie setzten sich an den Tisch. Ich sass auf der Ofenbank und hörte aufmerksam ihrem Gespräch zu. Der Mann aus der Schönau erzählte dann, wie er in einem gefährlichen Treffen gestanden sei, wie die Kanonen gedonnert und Erde und Himmel erschüttert haben; wie da Rauch und ein Pulverdampf gewesen sei, dass man fast habe ersticken müssen. Wie links und rechts Tote und Blessierte im Blute herum gelegen seien, die Trommeln gewirbelt und die Musik gespielt habe, damit man das Geschrei und das Wehklagen der Verwundeten nicht höre. Unbarmherzig sei man mit Ross und Wagen über Lebende und Tote hinausgefahren, kein Mensch hätte ans Schonen gedacht. Währenddessen seien die Kaiserlichen und die Russen unter dem Geheul der Sturmglocken durchs Dorf gezogen.»

«Ferner erzählte mir Bas Anneli viel von der Revolution der neunziger Jahre, als wir viel «fremds Volk» im Land gehabt haben: Franzosen, Kaiserliche (Österreicher), Russen und viele andere noch. Da sei es fürchterlich gewesen, als man den König von Frankreich getötet hab und der Himmel all Nacht ganz blutig rot gewesen sei. Das Volk habe sich auf dem Zürichberg geschlagen, dass alle Häuser in unserem Dörflein vom Donner der Kanonen gezittert hätten. Die Kaiserlichen hätten auf dem Walliker Feld und auf unserer Zelg ein grosses Lager mit Hütten und Zelten aufgebaut. Sie hatten Ungerer Stiere dabei mit ellenlangen Hörnern. Hätte das Lager nur einen Tag länger gewährt, wären wir alle beraubt und ermordet worden. Auch von Isikon habe Volk fort müssen, nach «Jämpf» (Genf) und an den Rhein. Da sei ein grausam Trübsal gewesen in der ganzen Welt, wie bei der Zerstörung Jerusalems.»

 Quellen:
Jakob Stutz, Siebenmal sieben Jahre aus meinem Leben, S. 191 ff., Frauenfeld 2001
Bild: Fremde Soldaten in Zürich. Lager der Kosaken - Aquarell von Ludwig Vogel, 11jährig, Zürcher Historienmaler -  stadt-zuerich.ch
Daniel Gasser, Januar 24